Mittwoch, 5. März 2003

Ein Nerz muss es sein

Der Morgen war dem Souvenirkauf und der Stadtbesichtigung gewidmet. Arkadi führte uns unter anderem zu einer jakutischen "Kirche", die in Kürze eröffnet wird. Der Hauptraum war von einem gossen Holzbaum mit Pferde- und Adlerfiguren ausgefüllt. Alle Räume waren achteckig.

Am Nachmittag wurde ich von Asalia abgeholt. Sie half mir beim Kauf einer Pelzmütze. Nerz liegt in Jakutsk bei den Männern schwer im Trend. Wir konzentrierten uns darum auf die Modelle aus diesem Fell. Ohne Asalias Beratung hätte ich es nicht geschafft, mich im grossen Angebot auf dem Pelzmarkt zurechtzufinden. Nach dutzenden von Anproben entschied ich mich für eine Mütze in der Farbrichtung Brillantschwarz. Sie kostete 5100 Rubel, was hier einem Monatslohn entspricht.

Zum Nachtessen trafen wir uns mit allen jakutischen Freunden in einem Restaurant. Bei der Garderobe hatte jeder Kleiderbügel einen Plastiksack, damit man die Pelzmütze verstauen kann. Das Restaurant besass keine eigene Toilette. Man musste jeweils die Kleider in der Garderobe abholen und hinter dem Haus für 3 Rubel die öffentliche Toilette benutzen.

Arkardi schenkte jedem von uns zum Abschied eine Stein, den er auf seinen Reisen gefunden hatte und für uns bemalt hatte.

In den nächsten zwei Tagen kehrten wir via Moskau in den Schweizer Frühling zurück.


Ein spezieller Dank geht an alle Spender für die Schulsachen.

Die Bilder sind von so ziemlich allen Mitgliedern der Crew ausser von mir. Die Karte und die Navigationsdaten sind von Christian Kopp.

Tsüri, 11. Juni 2003
Urs M. Heer

Dienstag, 4. März 2003

Die letzten Geschenke & Indiana-Jones-Flug

Heute verschenkten wir die letzten Geschenke im Schulhaus Nr. 1. Etwa 50 Erstklässler waren versammelt und stellten uns Fragen zu unserer Reise und den Erstklässlern in der Schweiz. Damit war unsere "Mission" abgeschlossen und wir konnten uns auf die Rückreise machen.

Kurz nach drei Uhr hob unsere Antanow 24 von der Jakutskie Avialinii auf dem Flughafen von Sirjanka ab. Früher hatten sie auf dieser Strecke Maschinen ohne Bestuhlung im Einsatz. Das Gepäck lag in der Mitte und man sass auf Segeltuchbänken am Rand. Trotz der Einführung der Bestuhlung auf dieser Linie hätte die Maschine immer noch in jedem Indiana-Jones-Film problemlos eingesetzt werden können.

In Jakutsk war es -22 Grad und es schien, als ob der Frühling ausgebrochen war. Auf der Strasse wimmelte es von Menschen und von den Autos waren die Doppelverglasung verschwunden. An den meisten Gebäuden flatterten Flaggen. Die Vorfreude auf dem 8. März, den Tag der Frau, schien die Stadt wachgerüttelt zu haben. Viele Geschäfte warben mit Sonderrabatten für Güter, die sich Frauen gerne schenken lassen.

Asalia hatte uns zum Nachtessen in ihre Wohnung eingeladen. Es gab gebratenen Fisch, der mit Rogen und Reis gefüllt war. Es folgten noch mehrere Gänge mit Fohlenfleisch, Bulletten mit Reis und Kartoffeln und Glace.


Asalia & Hausi beim Moroschenoje (Glace)

Christian und Michael hatten davon noch nicht genug und vergnügten sich bis morgens um sechs in der Omegabar neben dem Hotel Lena.

Montag, 3. März 2003

Interview & Prost auf Alinghi


Sergej mit Gemahlin

Die Lokalzeitung und das Lokalfernsehen erwarteten uns um 11 Uhr zum Interview. Hausi übersetzte meisterhaft und wir hinterliessen einen guten Eindruck. Christian sorgte etwas für Unruhe, als sein Stuhl unter ihm zusammenkrachte. Die Schulpräsidentin liess es sich nicht nehmen, ihn am Schluss von hinten zu begrabschen.

Michi und Hausi sammelten Material für eine Landwitschafts-Reportage und der Rest sah sich das Dorf individuell etwas genauer an. Im Hafen hat das Eis einige Schiffe losgerissen. Sie liegen nun kreuz und quer im Eis der Jasatschnaja. Lenin steht immer noch unbeeindruckt auf seinem Sockel auf dem Dorfplatz. Wegen des langen Weges sind die Artikel in den Läden ziemlich teuer. Fast alle Güter, die hier verkauft werden, müssen über den gleichen Weg hergebracht werden, den wir zurückgelegt haben.

Paul brachte während dem Mittagessen die erfreuliche Nachricht, dass Alinghi den American’s Cup gewonnen hat. Wieder einmal ein guter Grund, eine Flasche Wodka aufzutun.

Sonntag, 2. März 2003

Der schönste Kindergarten & Ankunft


Im Kindergarten von Ugolnoje

Wasilli war schon früh am Scheiben putzen und Paul verwendete die letzten Eier fürs Frühstück. Deutliche Zeichen, dass sich unsere Fahrt dem Ziel nähert. Doch davor wartete noch der Besuch des Kindergartens von Ugolnoje auf uns. Ich war hier bereits zwei Mal zu Besuch. Für mich ist es der schönste Kindergarten der Welt. Im Kontrast dazu steht der Rest von Ugelnoje. Hier wird hochwertige Kohle im Tagbau gefördert. Diese findet jedoch kaum noch Abnehmer, die sie auch bezahlen können. Die Bevölkerung hat stark abgenommen und die meisten Gebäude sind dem Verfall nahe.

Wir waren etwas zu früh und stoppten zuerst bei der Hängebrücke. Sie führt zu einem Diesel-Elektrokraftwerk und einem ehemaligen Gefangenenlager. Obwohl hier Kohle gefördert wird, verwendet man sie nicht zur Elektrizitätsgewinnung. Der Diesel muss über Tausende von Kilometern auf der Lena, dem Eismeer, der Kolima und auf einem Trasse hergebracht werden.

Punkt 12 fuhren wir beim schönen Kindergarten vor. Obwohl heute Sonntag war, waren die 20 Kindergärter für unsere Geschenke erschienen. Danach fuhren wir zur Schule hinüber und übergaben auch noch den 21 Kindern der ersten drei Klasse die Schulsachen. In der Blütezeit von Ugolnoje gingen hier 660 Kinder zur Schule. Heute sind es noch 82.

Die letzten 60 Kilometer bis nach Sirjanka konnten wir wieder ein Trasse benutzen. Kurz vor drei war die Fahrt zu Ende und wir belegten sämtliche Zimmer im Hotel des Ortes. Hausi zog bei Mechedas ein. Es gab heisses Wasser, das wir zum Duschen und Rasieren nutzten.

Zum Nachtessen trafen wir uns noch einmal mit unseren Fahrern. Wassili brach aber noch während dem Essen auf und machte sich auf den langen Rückweg nach Toplykljutsch.

Start: N 65° 50' 18.5" O 149° 29' 56.9" um 09:20
Ziel: N 65° 44' 15" O 150° 54' 14.7" um 15:08
Distanz: 80.200 km
Fahrzeit: 03h 00’
vø: 27 km/h

Total
Distanz: 1921.700 km
Fahrzeit: 61h 20’
vø: 31 km/h

Samstag, 1. März 2003

Zurück in die Taiga

Der Himmel war bedeckt und die Sonne liess sich nur selten blicken. Vom kleinen Pass ging es hinunter zum Fluss Sibik. Dieser führte uns aus den Momsker Bergen hinaus in die Taiga. Der Wald wurde also langsam immer dichter.

Etwa 15 Kilometer vor Ugolnoje parkten wir die Wachtowkas am Fluss Sirjanka. Der Schnee lag hier viel höher als auf der anderen Seite der Berge. Auf der Suche nach einem WC-Platz bin ich bis zu den Hüften eingesunken.

Start: N 65° 49' 5.5" O 147° 46' 18.8" um 09:45
Ziel: N 65° 50' 18.5" O 149° 29' 56.9" um 16:00
Distanz: 101.300 km
Fahrzeit: 05h 09’
vø: 20 km/h

Freitag, 28. Februar 2003

Berge, so weit das Auge reicht

Der Simnik führte entlang dem Fluss Taltschan. Als wir den Bolschoj Pereval (grosser Pass) erreichten, erklommen wir zu dritt einen kleinen Hügel. Rundum sahen wir nur Berge. Bäume konnten wir nur im nahen Tal erkennen. Derweil baute Urs aus "Sagex-Schnee" eine Wolkenkratzer-Stadt. Zusammen mit Louis durfte ich sie dann zum Einsturz bringen.

Das erste Stück nach dem Pass gingen wir zu Fuss, weil es sehr steil und eisig war. Der Sinmik führte hinunter zum Fluss Molokan und dann hinauf zum Malij Pereval (kleiner Pass). Hausi wollte auch hier einen Hügel erklimmen. Er musste aber alleine gehen, weil es im tiefen Pulverschnee einfach zu mühsam war.


Ein sibirischer Fuhrmann auf dem grossen Pass

Paul zerlegte zwei grosse Lachse und liess sie in der Pfanne brutzeln. Sergej wollte eigentlich eine Ucha (Fischsuppe) machen. Aber die benötigt einen Hühnerfond und gestern haben wir die letzten Poulets gegessen. Der gebratene Fisch war aber auch ganz vorzüglich. Ich weiss auch nicht, warum die Russen den schönsten Lachs immer in die Suppe schnetzeln wollen.

Leider liess uns heute das Nordlicht im Stich.

Start: N 65° 37' 59.6" O 146° 54' 57.1" um 09:55
Ziel: N 65° 49' 5.5" O 147° 46' 18.8" um 15:30
Distanz: 62.500 km
Fahrzeit: 03h 15’
vø: 19 km/h

Donnerstag, 27. Februar 2003

Autogramme

Alexej war die ganze Nacht auf und kochte Suppe. Er hatte das jedoch nicht mit Paul abgesprochen und war ziemlich enttäuscht, weil wir bei ihm eine Buchweizen-Kascha zum Frühstück assen und danach keine Suppe mehr mochten.

Im nahen Dorf Sasyr übergaben wir 38 Kindern der ersten und zweiten Klasse Schulsachen. Die Schülerinnen der elften Klasse wollten Autogramme von uns, als wir das Dorfmuseum besuchten. Die Hälfte des Museums war den Expeditionen auf den Pabeda gewidmet. Es gab auch Exponate von der Iveco-Expeditione, an der Sergej beteiligt war.


Im Schulhaus von Sasir

Sasyr wird vorwiegend von Jakuten bewohnt und machte einen sauberen und geordneten Eindruck. In Orten mit Russen ist das in Sibirien in der Regel nicht der Fall.

Vor der Weiterfahrt servierte uns Alexej noch einen Tee in seinem Haus im Dorf. Schon nach kurzer Fahrt machten wir bei einer Hütte von Rosshirten einen Halt. Diese ist so etwas wie ein Fernfahrer-Treffpunkt. Die Bewohner waren trotz der frühen Stunde schon reichlich betrunken und wir machten uns bald wieder auf den Weg. Später hörten wir noch von einer blutigen Messerstecherei an diesem Ort.

Das Lager schlugen wir auf dem Fluss Taryn am Fusse des Momagebirges auf. Es gab Poulet mit Curryreis. Urs sah diese Nacht für etwa eine Viertelstunde das Nordlicht.

Start: N 65° 8' 35" O 146° 57' 40.8" um 10:00
Ziel: N 65° 37' 59.6" O 146° 54' 57.1" um 16:42
Distanz: 73.900 km
Fahrzeit: 03h 45’
vø: 20 km/h

Mittwoch, 26. Februar 2003

Druschba, Alexej & die Banja

Vom Aquarium-Naled fuhren wir dem Chrebet (Gebirge) Ulachan-Tschistaj entlang zum Fluss Tirechtjach. Dieser führte uns ins breite Momatal. Links von uns befand sich das Gebirge mit dem Pabeda, der mit 3003 m der höchste Berg Sibiriens ist. Rechts konnten wir bereits das Momagebirge sehen, das uns noch von Sirjanka trennt.

Unser Lager wollten wir bei einer Hütte neben einem gefrorenen See aufschlagen. Sie wurde von Alexej bewohnt. Diesen mussten wir aber zuerst im nahen Dorf Sasyr abholen.

Wir wollten seine Banja (Dampfbad) benutzen. Dazu benötigt es Holz und Wasser. Das Wasser besorgten wir in der Form von Eis aus der Moma. Das Eis wird mit der Motorsäge aus dem Fluss geschnitten. Das sowjetische Modell heisst Druschba (Freundschaft). Es besitzt keinen Flugzeugvergaser. Das heisst, man muss sie immer gleich halten. Wenn ein anderer Winkel gewünscht ist, muss das Blatt verstellt werden.

Urs Twellmann nutzte die Gelegenheit und baute mit der Druschba und dem Momaeis eine Skulptur.

Die Banja wurde eingeheizt und nun begann das Warten, bis sie bereit war. In der Hütte hatte Alexej einen einfachen Ofen in der Mitte, der die Hütte sehr gut heizte. Alexej kochte darauf eine ausgezeichnete Rentiersuppe. Die Banja war noch nicht bereit und Alexej begann, uns aus seinem bewegten Leben zu erzählen und Handorgel zu spielen. Später erfuhren wir, dass er wegen Polizisten-Mord 13 Jahre im Lager war.


Alexej & Hausi musikieren

Eigentlich wollten wir das mitgebrachte Gerber-Fondue nach der Banja geniessen. Weil sie noch nicht bereit war, begannen wir das Fondue auf dem Gaskocher aufzuwärmen. Wir genossen das Stück Heimat. Sogar Paul konnte seine Bedenken gegenüber dem Instantfondue abbauen. Bei den Einheimischen war das Echo durchzogen.

Es war nun schon nach Mitternacht und wir beschlossen, in die Banja zu gehen, obwohl sie noch nicht bereit war. Der Boden war zugefroren, die Luft lauwarm und das Wasser warm. Eigentlich sollte alles heiss sein. Wir zogen uns drinnen aus, wuschen uns am Zuber. Auf das Wälzen im Schnee verzichteten wir.

Start: N 64° 51' 15.4" O 145° 55' 50.2" um 08:55
Ziel: N 65° 8' 35" O 146° 57' 40.8" um 14:54
Distanz: 76.000 km
Fahrzeit: 04h 37’
vø: 16 km/h

Dienstag, 25. Februar 2003

Aquarium & Sonnenuntergang

Zum Frühstück gab es den Rest von Pauls Pouletsuppe. Die Fahrt folgte dem Fluss Amtagatsch, bis wir nach Norden zu einem Pass abbogen. Die Berge auf beiden Seiten des Simniks waren weich geformt wie Sanddünen. Nach dem Pass waren die ersten Berge mit scharfen Kanten am Horizont zu erkennen.

Neben einem gewaltigen Naled parkten wir die Wachtowkas. Naleds entstehen in Flusstälern, indem Wasser über das Eis fliesst und dabei gefriert. Dieser Naled wird wegen seinem klaren Eis Aquarium genannt. Ein wahr gewordener Traum für Urs Twellmann.

Wir wagten es noch einmal, den Tee im Freien zu machen. Die Esswaren brachten wir aber erst ins Freie, als das Teewasser auch bereit war.

Nach dem Abwasch folgte ich Michael, Hausi und Louis auf einen nahen Hügelzug. Der Aufstieg in den Filzstifeln war nicht so einfach. Von dort hatte man eine vorzügliche Aussicht auf den Naled, die Täler in der Umgebung und die Berge im Hintergrund.


Die Hasselblad wird von Louis in Position gebracht

Wir warteten drei Stunden, um von dort den Sonnenuntergang zu geniessen. Das Lichtspiel am östlichen Horizont begann, indem sich die Berge Orange verfärbten. Der Himmel dahinter begann mit Tiefblau und ging langsam über zu Violett und Orange.

Das Nachtessen war bereit, als wir zurückkamen. Wir konnten die Kalorien nach dieser Tour gebrauchen.

Start: N 64° 36' 57.2" O 145° 29' 38.5" um 09:30
Ziel: N 64° 51' 15.4" O 145° 55' 50.2" um 13:00
Distanz: 39.500 km
Fahrzeit: 02h 43’
vø: 15 km/h

Montag, 24. Februar 2003

Pouletsuppe & Ende des Trasses


Umtanken

Das Frühstück brauchte seine Zeit, denn die Küche war wegen des Wasserunfalls in einem desolaten Zustand. Paul gab mehr als sein bestes und zauberte aus dem Chaos die beste Pouletsuppe meines Lebens.

In der Zwischenzeit trafen wir die Schulvorsteherinnen des Ortes und übergaben ihnen Schulmaterial für 215 Kinder des Kindergartens bis zur zweiten Klasse. Als dank erhielten wir wunderbare Atlanten von Sacha mit vielen statistischen Daten.

Ein Teil der Gruppe war auf der Suche nach einem kleinen Teekrug für die Sawarka (Teekonzentrat). In ganz Ust-Nera gab es keinen zu kaufen. Bei der russischen Methode zum Teebrauen wird ein Teekonzentrat (Sawarka) angesetzt. Zum Beispiel in dem kleinen Kännchen auf dem Samowar. Davon giesst man etwas in die Tasse oder das traditionelle Teeglas und füllt es mit heissem Wasser auf - zum Beispiel aus dem Samowar.

Die ersten 80 km der heutigen Fahrt legten wir noch auf dem Trasse Jakutsk-Magadan zurück, das Mitte des letzten Jahrhunderts von Gefangenen erstellt wurde. Von hier an gab es nur noch Simniks bis Sirijanka. Dies sind unbefestigte Wege. Sie sind nur im Winter befahrbar. Die Flüsse müssen stark genug zugefroren sein, damit sie einen Lastwagen zu tragen vermögen. Die Fahrer der ersten Lastwagenkolonne, die einen Simnik in Dezember oder Januar eröffnet, brauchen gute Ortskenntnisse, viel Zeit und Treibstoff. Das lohnt sich, weil sie dann die ersten sind, die die Dörfer versorgen können. Im Sommer ist dies nur auf den Flüssen möglich.

Der Simnik begann kurz vor einem Ort namens Pobeda (Sieg) auf dem Fluss Burustach. Das Flussbett ist hier auf der Suche nach Gold gründlich umgegraben worden. Nach 45 km auf und neben dem Fluss ging es über eine holprige Wasserscheide. Es hatte dieses Jahr weniger Schnee als üblich. Das macht den Weg eisiger und rauher zum darauf fahren.

Die Fahrer waren etwas skeptisch, als sie die Eigenkreation aus Hirse und Curry sahen, die Paul zum Nachtessen auftischte. Es schmeckte jedoch ausgezeichnet.

Diese Nacht parkte neben uns ein Lastwagen mit 4000 Flaschen Wodka. Ausserdem spielte uns diese Nacht der Wind übel mit. Wir konnten den Kamas stellen wir wollten. Immerzu blies es uns Abgase in die Kabine.

Start: N 64° 33' 51.2" O 143° 14' 18.2" um 12:55
Ziel: N 64° 36' 57.2" O 145° 29' 38.5" um 20:03
Route: 151.500 km
Fahrzeit: 05h 34’
vø: 27 km/h

Sonntag, 23. Februar 2003

Wurst-, Käse- & Schokoladeglace


Vor dem Kältedenkmal in Oimjakon

Heute wollten wir Ust-Nera erreichen. Von Oimjakon würde ein 200 Kilometer langer Simnik dahin führen. Unsere Fahrer kannten diese Strecke nicht und sie wollten darum das Risiko nicht eingehen. Wir mussten also ein gutes Stück auf dem gleichen Weg zurück bis zum Kraftwerk und dann auf das Trasse nach Norden abbiegen.

Zuerst musste wir aber unserer Fotopflicht am Kältedenkmal in Oimjakon nachgehen. Die Fahrer bildeten dazu einen Spalier mit ihren Wachtowkas.

Bein einer Brücke fanden wir eine offene Stelle im Eis, an der wir unseren Wasserkanister füllen konnten. Dies war auch eine gute Gelegenheit für einen Teehalt. In Russland gibt es keinen Tee ohne etwas kleines zu Essen. Hausi hatte die Idee, den Tee im Freien aufzubauen, denn das Wetter war wie immer prächtig. Es stellte sich heraus, dass dies bei -30 Grad nicht so eine gute Idee ist. Wurst, Käse und Schokolade waren in Kürze tiefgefroren. Zum Tee gab es also Glace mit etwas ungewöhnlichem Aroma.

Gegen 16 Uhr erreichten wir die Weggabelung. Die Bezirkshauptstadt Ust-Nera erreichten wir um 22 Uhr, nachdem wir zwei Pässe überquert hatten.

Kaum einer glaubte während dem Tag daran, aber Hausis Traum ging Erfüllung. Im Hotel Solnetschnaja hatte es noch Zimmer frei. Sie mussten aber zuerst noch zurechtgemacht werden.

Paul gönnten wir eine Pause. Wir assen das Nachtessen in einem "chinesischen" Restaurant. Trotz der späten Stunde an einem Sonntagabend waren noch viele Gäste da, die zu russischer Popmusik tanzten. Heute wurde der Tag der Armee gefeiert und deshalb ist der Montag ebenfalls arbeitsfrei. Von einem Festtag muss man sich schliesslich erholen.

Um Mitternacht konnten wir das Hotel beziehen. Die Türe zur Kabine des Kamases war jedoch zugefroren. Der Wasserkanister musste während der Fahrt umgefallen sein und das Wasser hat als Eis die Türe versiegelt. Ausserdem war das Schloss seit Beginn der Fahrt in einem schlechten Zustand. Die Fahrer brauchten eine Stunde, bis sie die Türe offen hatten. Das geschah bei -45 Grad und gleich neben dem Auspuff des Lastwagens.

Das Zimmer war einfach und die Dusche ein Genuss. Paul hatte jede Steckdose mit Akkus belegt. Sein Bett war äusserst unbequem und er verbachte die Nacht damit, geladene Akkus mit ungeladenen zu ersetzen. Ein paar Unentwegte zog es noch einmal ins Restaurant. Ich zog das Bett vor, wenn man schon mal eines hat. Zum Glück, denn sie erhielten Wodka von minderer Qualität, was nicht allen guttat.

Start: N 63° 27' 51.8" O 142° 46' 41" um 09:40
Ziel: N 64° 33' 51.2" O 143° 14' 18.2" um 22:22
Distanz: 412.200 km
Fahrzeit:10h 13’
vø: 40 km/h

Samstag, 22. Februar 2003

Kältepol


Wassili am Steuer des Urals

Paul stand bereits um halb sechs auf, um uns Hörnli zum Frühstück zu machen. Leider hatte er zuwenig Wasser und Teigwaren aus Hartkornweizen sind selten in Russland. Es sollte das letzte Mal sein, dass Pauls Küche nicht ganz alle Erwartungen restlos erfüllte.

Vor der Abfahrt fand Luis die Stativ-Schraube für die Hasselblad wieder, die er am Vorabend am Flussufer im Schnee verloren hatte. Die Fahrt folgte noch etwas dem Fluss Chandige. Über eine 1300 Meter hohe Wasserscheide bogen wir nach Nordosten ab. Der Aufstieg folgte entlang mehrere Naleds (ewiges Eis im Tal) zu einer Meteostation. Hier kauften die Fahrer Treibstoff. Die Tannen in dieser Hochebene waren wie mit Puderzucker überzogen. Es waren mehrer Fotostops nötig, um all diese Pracht "einzufangen".

Bei einem Kraftwerk gaben wir drei und im Bauerndorf Jutschegei 38 Kindern Schulsachen. In Jutschegei erhielten wir von der Lehrerin - ich habe noch nie einen Lehrer in Russland getroffen - kunsthandwerkliche Taschen und Wandbehänge.

Beim Eindunkeln erreichten wir Tomtor. Beim Dorfeingang befindet sich eine Gedenksäule für die Rekordtemperatur von -71.2 Grad von Oimjakon. Wir machten eine Photohalt und fuhren über einen Simnik (Wintertrasse) nach Oimjakon.

Ausserhalb des Ortes parkten wir im Schnee. Das Nachtessen bestand aus Risotto mit Wurst. Ein Problem ist die Wasserknappheit. Schnee und Eis schmelzen braucht Zeit und viel Gas. Eine Quelle würde es einfacher machen. Doch das ist schwierig bei -47 Grad.

Start: N 63° 8' 2.6" O 138° 46' 28.5" um 08:00
Ziel: N 63° 27' 51.8" O 142° 46' 41" um 18:20
Distanz: 296.300 km
Fahrzeit: 08h 03’
vø: 37 km/h

Freitag, 21. Februar 2003

Wandern auf Eis & Schnee



Paul hatte eine schwere Tasche voller Rösti aus der Schweiz mitgebracht. Das war unserer Frühstück.

Beim Stuhlgang danach hinter der verfallenen Meteostation stand ich mit meinen Filzstiefeln auf einen rostigen Nagel. Zum Glück war die Wunde nur klein und mit Desinfizieren war das Problem gelöst. Merke: Vorsicht, wohin du mit Filzstiefeln trittst.

Wir waren kaum losgefahren, als Paul seine Leica vermisste. wir kehrten um und suchten den Lagerplatz ab. Das war zwecklos, denn es stellte sich heraus, dass sie in meiner Jackentasche war. Paul musste die Jacken am Vorabend verwechselt haben und in so einer dicken Jacke fällt eine Kamera kaum auf.

Die Fahrt dauerte nur etwa eine halbe Stunde. Bei einer Brücke hielten die Wachtowkas und wir machten uns bereit für eine Wanderung im Schnee. Ich hatte keine grosse Lust, im Schnee ein steiniges Bachbett hochzusteigen und kehrte bald zum Fluss zurück. Das Eis war hier kaum mit Schnee bedeckt und zu pittoresken Strukturen erstarrt. Am anderen Flussufer entdeckten wir Spuren von Baranen (wilden Schafen).

Das Nachtlager schlugen wir weiter im Osten auf. Sergej kochte zusammen mit Paul Fohlenfleisch mit Kartoffeln. Die grosse Arterie, die in meinem Teller landete, soll angeblich eine Delikatesse sein. Ich hatte trotzdem etwas Mühe damit. Den Wodka danach hatte ich mir verdient.

Start: N 63° 5' 33.8" O 138° 15' 13" um 09:20
Ziel: N 63° 8' 2.6" O 138° 46' 28.5" um 16:55
Distanz: 40.200 km
Fahrzeit: 01h 25’
vø: 28 km/h

Donnerstag, 20. Februar 2003

Erste Geschenke & "Teepause"


Kinder in Toplykljutsch

Heute war Pauls erster Einsatz als Koch. Die Pelmeni (Teigtaschen) in Bouillon erfüllten Pauls Anforderungen an sich selbst noch nicht. Mir schmeckten sie.

Die Fahrt ging durch Hügel hinunter zum Aldan. Der Weg folgte diesem Fluss entlang und hin und wieder auch darauf nach Chandyga, einer Goldgräberstadt. In Chandyga versuchte Wassili auf der Miliz (Polizei), eine Lizenz zu bekommen, damit er sein Gewehr mitnehmen durfte. Ich hatte Lust auf ein Glace und besorgte Mineralwasser für die Gruppe.

Kaum mehr als zwei Kurven und 60 Kilometer östlich befindet sich das Dorf Toplykljutsch mit dem Flughafen von Chandyga. In der Schule verteilten wir zum ersten Mal Geschenke an die Kinder der ersten bis vierten Klasse. Als Dank erhielten wir ein Klebebild mit einem Renntier und dem Nordlicht.

Toplykljutsch ist die Heimat von Wassili. Er führte uns in seine Wohnung und ging die Wachtowkas tanken. Seine Tochter sollte uns Tee machen. Diese genierte sich aber zu stark und wir bekamen nichts. Der Fernseher unterhielt uns mit einem Kriegsfilm aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs oder dem Grossen Vaterländischen Krieg, wie er in Russland heisst.

Das Nachtlager schlugen wir bei einer ehemaligen Meteostation östlich von Raswilka auf. Paul zauberte ein nahrhaftes Plow mit Karotten auf dem Gaskocher. In der Nacht liessen wir ein Fenster offen, was für ein besseres Schlafklima sorgte. Leider wurden auch Abgase des Lastwagen angesogen. Wegen der Kälte müssen diese stets angelassen bleiben. Dieses Problem sollte uns noch bis ans Ende der Fahrt begleiten.

Start: N 62° 38' 44.4" O 133° 48' 25.4" um 09:00
Ziel: N 63° 5' 33.8" O 138° 15' 13" um 19:50
Distanz: 285.500 km
Fahrzeit: 07h 18’
vø: 39 km/h

Mittwoch, 19. Februar 2003

Tribut am Fluss


Der traditionelle Tribut vor der Reise

Die letzte Nacht forderte ihren Tribut und es schafften es nicht alle zum Frühstück. Wer nicht über die Stränge geschlagen hatte, konnte die letzte Dusche und Rasur mit warmen Wasser geniessen.

Um 10 Uhr verliessen wir das Hotel und fuhren zu den Wachtowkas. Wir gaben uns alle erdenkliche Mühe, alles Gepäck, die Verpflegung und die Geschenke sinnvoll in den beiden Fahrzeugen zu verstauen. Auch wurden die letzten Einkäufe noch getätigt.

Unsere Fahrer arbeiteten immer noch am Innenausbau des Kamas. Mit dem Ural, der in der Nacht ankam, fuhren wir ans Ufer der Lena, um dem Weg mit Naturalgaben Tribut zu zollen.

Kurz nach vier war auch der Kamas so weit und wir begannen unsere Fahrt nach Osten über das Eis der Lena. Die Querung der Lana dauerte etwa 20 Minuten auf dem gut präparierten Eis. Auf dem nachfolgenden Trasse kamen wir gut voran. In einem Restaurant am Weg assen wir ein Plow (Reiseintopf).

Das Tagesziel erreichten wir kurz nach Mitternacht. Das Einrichten zum Schlafen war noch etwas umständlich. Draussen war es in der Nacht -44 Grad. Drinnen war die Heizung zu stark eingestellt und ich musste aus dem Schlafsack schlüpfen, damit ich schlafen konnte.

Start: N 62° 3' 25.5" O 129° 44' 7.5" um 12:40
Ziel: N 62° 38' 44.4" O 133° 48' 25.4" um 00:12
Distanz: 302.600 km
Fahrzeit: 06h 18’
vø: 48 km/h

Dienstag, 18. Februar 2003

Akklimatisierung


Eisskulptur in Jakutsk

Heute morgen brauchten wir zwei mal Frühstück pro Person. Auf den Cholesterinspiegel kann man ja nicht jeden Tag achten.

Gestern hatte die Lebensmittel- und Kochgerätecrew noch nicht alles gefunden und musste heute morgen die Ladentour fortsetzen. Der Rest begab sich zu Arkadi und begann, die Schulsachen besser zu verpacken.

Am Mittag ging es mit der ganzen Ladung zu den Wachtowkas bei einer Berufsschule. Wachtowkas sind 3-achsige Allrad-Lastwagen, die auf der Brücke eine Personenkabine haben. Wir haben zwei gechartert. Die erste zum Reisen mit Busbestuhlung (Marke "Ural") und die zweite mit Liege-Bänken zum Kochen, Essen und Schlafen (Marke "Kamas").

Bei der Berufsschule befand sich erst der Kamas. Sergej war mit Gena noch mit dem Innenausbau beschäftigt. Das heisst, noch war nicht erkennbar, wie er einmal aussehen sollte. Wegen dem Frauentag am 8. März haben wir unsere Reise vorverschoben. Deshalb und wegen Stromausfällen waren sie noch nicht so weit. Der Ural war noch auf dem Weg nach Jakutsk. Wir trugen alle Sachen erst einmal in den ersten Stock der Berufsschule in einen abschliessbaren Raum und begaben uns zurück ins Hotel.

Ich wollte mich mit Mineralwasser eindecken. Beim Einkaufen fehlt mit noch die Kälteroutine. An einem Laden blieb ich mit der Hand innen an der Türfalle kleben. Merke: Handschuhe vor dem Verlassen des Ladens anziehen. Das linke Ohrenläppchen hat bei der Suche auch zu kalt bekommen und hat danach für mehrere Tage wie bei einem Sonnenbrand weh getan. Merke: Ohrenklappen bei der Mütze runterklappen. Mineralwasser habe ich nach etwa einer Stunde gefunden. Genau gegenüber vom Hotel.

Zum Nachtessen fuhren wir zu einem "Komplex" ausserhalb der Stadt. Es entpuppte sich als ein jakutisches Folklore-Restaurant. Die Gebäude waren im traditionellen Stil gebaut. Dagegen verstiess nur der Ofen und dagegen hatten wir nichts einzuwenden. Im Stall befanden sich traditionelle Jakutische Kühe. Diese sind eher selten in Jakutien. Man trifft eher auf Simmentaler. Überraschender waren aber die Spiegelkugel und das Lauflicht im Essraum.

Während des Essens kam Sascha Mecheda vorbei. Er war aus Sirianja gekommen - unserem Endpunkt des Lastwagentrecks. Er brachte eine Mütze aus Vielfrassfell mit. Wegen ihrem markanten Farbmuster wurde sie von uns Calmy-Rey getauft. Paul trug sie von nun an und war damit unübersehbar.

Die Nacht endete wieder in der Bar neben dem Hotel.

Montag, 17. Februar 2003

Kaufrausch


Einkaufen in Jakutsk

Jakutsk begrüsste uns am frühen Morgen mit -42 Grad. Als ich die Treppe von Flugzeug herunter gekommen war, waren meine Nasenhaare bereits gefroren. Wir fielen nur schon dadurch auf, dass wir nicht in dicke Pelze gehüllt waren.

Zum Hotel in der Stadt fuhren wir mit dem öffentlichen Bus. Spätestens beim Warten an der Haltestelle merkte ich, dass die lange Unterwäsche im Gepäck geblieben war. Es gelang uns dann auch noch, den ersten Bus zu verpassen. Die Etappe von der Bushaltestelle bis zum Hotel Lena werde ich auch nicht so bald vergessen. Im Hotelzimmer angekommen, brauchte ich mehr als eine halbe Stunde, bis ich mich wieder aufgewärmt fühlte.

Arkadi holte uns zum Einkaufen ab. Er ist Jakute und ein Freund von Hausi, den ich auf frühren Reisen schon kennengelernt hatte. Wir teilten uns in zwei Teams auf. Eines besorgte Lebensmittel und Werkzeuge. Zusammen mit Louis und dem Übersetzter Vlad begab ich mich zu einem Schulmaterial-Grossisten. Von Spendern hatten wir 4’000 Franken oder umgerechnet 88’000 Rubel bekommen. Damit kauften wir:
500 Etuis
500 Zeichenblöcke à 30 Blatt
500 Blöcke mit farbigem Papier à 16 Blatt
500 Notizblöcke
500 Leimstifte
500 Wasserfarben-Sets à 6 Farben
500 Kugelschreiber
500 Filzstifte à 12 Farben
500 Plastilin-Sets à 8 Farben
250 Fettkreiden à 6 Farben
250 Scheren
250 Zirkel

Die Verkäuferinnen waren ziemlich erstaunt über diese Bestellung. Wir brauchten zwei Fahrten mit dem UAZ (russischer Geländewagen), um alles in Arkadis Wohnung zu bringen. Der UAZ hatte wie die meisten Fahrzeuge eine handgemachte Doppelverglasung und wurde vom Fahrer nie abgestellt.

Arkadi und seine Frau bewirteten uns mit gefroren gehobeltem Fisch und ebenfalls gefrorenem Fohlenfleisch.



Das Nachtessen (Salat und Kartoffeleintopf) nahmen wir in der Bar neben dem Hotel Lena zu uns. Ich war ungeschickt und goss Bier über meine Pelzmütze.

Sonntag, 16. Februar 2003

Hardly Possible


Christian kauft eine Mütze am Arbat

Hausi war mit Organisatorischem beschäftigt. Der Rest der Crew machte darum einen Stadtrundgang bei -14 Grad: Lubjanka - Theaterplatz - Roter Platz - Alter Arbat.

Am Nachmittag fuhren wir zum Flughafen Domodjedovo. Von dort brachte uns eine Maschine der Air Domodjedovo nach Jakutsk, der Hauptstadt der Republik Sacha, ehemals Jakutsien. Etwas ungewöhnlich war nur der Aufdruck auf der Notfallkarte in der Sitztasche: "It is hardly possible that you will need the on-board emergency equipment. However, according to international requirements, we suggest that get acquainted with this equipment."

Ein Fluggast aus Magadan versorgte unser Team während dem Flug ausgiebig mit Alkoholika.

Samstag, 15. Februar 2003

Ankunft & Kleiderprobe



Endlich wieder einmal in Moskau! Die Aeroflot brachte uns heute von Zürich hierher. Wir sind das MINUS72-Expeditionsteam und beabsichtigen, zusammen nach Ojmjakon zu fahren. Oimjakon ist das kälteste Dorf der Erde. Die tiefste dort gemessene Temperatur beträgt minus 71.2 Grad. Wir fahren nach Oimjakon - im Winter. Deshalb heisst unser Vorhaben Expedition MINUS72. Unser Team besteht fast ausschliesslich aus Männern, die schon einmal in Sibirien waren:

Ohne Hans Ryter (Hausi) hätten wir uns wahrscheinlich gar nie auf den Weg gemacht. Er kennt das Land Sacha (Jakutien) und seine Bewohner ausserordentlich gut und verfügt über die notwendigen Kontakte, um so ein Vorhaben auf die Beine zu stellen.

Christian Kopp war der Liebling aller sibirischen Frauen und Navigator der Expedition. Dank seinen lückenlosen Navigations-Daten und seiner Dokumentation könnten wir die Expedition jederzeit wiederholen.

Unser Expeditions-Arzt und Koch war Paul A. Jäggi. Er verstand es meisterhaft, auch unter widrigsten Umständen, unsere Mägen mit kulinarischen Kostbarkeiten zu versorgen. Am tiefsten beeindruckt hat er uns aber, wie er mit Berndeutsch alle interkulturellen Kommunikations-Hindernisse souverän beseitigte. Ausserdem zauberte er stets neue Gadgets aus seinem Rucksack, von deren Existenz wir nicht einmal geträumt hatten.

Urs Twellmann war als Expeditions-Plastiker für den kulturellen Unterbau verantwortlich. Auch nach Stunden auf der Lena konnte man ihn nur mit Mühe zum verlassen des Eises bewegen. Stets sah er neue Formen und Farben, die es zu ergründen galt.

Michael Grossenbacher war unser Berichterstatter und Hüter der Expeditions-Kasse. Zusammen mit Louis und Paul testete er die Minolta-Kameras unter sibirischen Bedingungen.

Unser Expeditions-Fotograf Louis Brem versuchte auch bei Temperaturen unter -30 Grad mit seiner "Hasselblad" die Weiten der sibirischen Taiga auf Film zu bannen, was auch meist gelang.

Sergej Serpinov war der Chef der zuverlässigen und erfahrenen Fahrercrew und fuhr zusammen mit seinem Assistent Gena den "Kamas". Er ist ein erfolgreicher Transportunternehmer aus Sirijanka und nahm schon an einer Lastwagen-Expedition rund um die Welt teil. Wassili fuhr den "Ural" und sprach fast unentwegt "Mat" mit uns.

Für die Geschenk-Buchhaltung war ich, Urs M. Heer, besorgt. Freundliche Spender haben es uns möglich gemacht, dass wir 500 Kinder entlang der Strecke mit Schulsachen versorgen konnten.

Moskau begrüsste uns mit -17 Grad. Zum Akklimatisieren ideal. Gegen 21 Uhr trafen wir in der Wohnung der Kirimows in der Nähe des Komsomolskaja Ploschad ein. Dort lagen bereits unsere Winterkleider bereit. Wattierte Hosen und Jacken, Filzstiefel, Handschuhe und Hasenfell-Mützen. Hausis Freundin Martina hatte uns Namensschilder mit dem Expeditionslogo geschenkt, die wir auf die Jacken nähen konnten. So konnten wir auch die Jacken unterscheiden. Alle trugen Blau ausser Paul, der sich für ein wärmeres Model im Tarnlook und mit Pelzbesatz an der Kaputze entschied.